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Mrz
2008

Aserbeidschan vor dem Oil-Peak?

In einem Beitrag für die Börsen-Zeitung, (Ausgabe 1. März 2008) beschäftigen sich die beiden Mitarbeiter des Deutsche Bank Research, Thorsten Nestmann und Evelyn Moser, mit der Lage in Aserbeidschan. Unter dem Titel „Erdöl dominiert die Entwicklung am Kaspischen Meer“ schreiben die beiden Analysten, dass der Peak in der Ölförderung in dem Land am Kaspischen Meer möglicherweise bereits kurz bevorstehe und deshalb eine rasche Diversifizierung der Wirtschaft nötig sei.

Aserbeidschan, das flächenmäßig etwas größer als Österreich ist, hatte bereits im Jahr 1848 eine florierende Erdölindustrie. 95 Prozent des Öls im russischen Reich und rund 50 Prozent der globalen Erdölproduktion stammten um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert von dort. Heute ist die Bevölkerung von 8,4 Millionen verhältnismäßig jung und überwiegend muslimisch. 0,6 Prozent der weltweit nachgewiesenen Ölreserven und 0,7 Prozent der Gasreserven befinden sich auf aserbaidschanischem Territorium. Das ist vergleichbar mit Angola oder Norwegen (beim Öl) bzw. den Niederlanden (Gas). Öl stammt laut DB-Research hauptsächlich aus dem Offshore-Ölfeld Aseri-Tschirag-Guneschli im kaspischen Meer, das unter der Leitung von BP erschlossen und genutzt wird. Die Ölproduktion steigt derzeit an, ihr Höhepunkt mit 1,1 Mill. Barrel pro Tag – rund 85 Prozent der Gesamtfördermenge Aserbaidschans - wird für 2009/2010 erwartet. Ein Großteil des Öls kann über die Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline (BTC) transportiert werden, was insbesondere für europäische Kunden von Bedeutung ist, da sie nicht über russisches Territorium verläuft.

Gas kommt ebenfalls meist aus dem kaspischen Meer: Insbesondere die Erschließung des Shah-Denis-Feldes seit Dezember 2006 hat für einen enormen Aufschwung gesorgt. Mit Reserven von 420 Mrd. Kubikmetern ist Shah-Denis eines der größten Gasfelder, die in den vergangenen Jahren entdeckt wurden. Gas gelangt über die Baku-Tiflis-Erzurum-Pipeline (BTE) in den Westen, parallel zur BTC-Pipeline.

Weil die Ölproduktion in den letzten Jahren jährlich um mehr als 40 Prozent angestiegen ist, lag das Wirtschaftswachstum Aserbaidschans 2007 bei 25 Prozent und 2006 sogar bei 34,5 Prozent. Laut DB ist das eine der weltweit höchsten BIP-Wachstumsraten. Aserbeidschan hat als Folge steigende Fiskaleinnahmen und nur wenig Schulden (Auslandsverschuldung 2007: 8,3 Prozent des BIP, Schulden des öffentlichen Sektors 2007: 5,6 Prozent), dafür aber rund 4 Mrd. US Dollar Fremdwährungsreserven. 2006 stiegen die Staatsausgaben um 80 Prozent, 2007 nochmals um 50 Prozent – vor allem für Löhne, Gehälter und Pensionszahlungen. Den Experten zufolge wird dieser Trend 2008 wegen anstehender Präsidentschaftswahlen vermutlich anhalten. Das gefällt den beiden Autoren aber nicht, denn die Inflation verdoppelte sich 2007 auf einen Jahresdurchschnitt von 16,7 Prozent – Anfang des Jahrtausends habe sie noch bei moderaten drei Prozent gelegen.

Nestmann und Moser warnen vor der hohen Abhängigkeit der Wirtschaft vom Energiesektor, der 2006 für 85 Prozent der Exporte und über 50 Prozent der Staatseinnahmen verantwortlich gewesen sei. Damit dürfte bald Schluss sein, denn momentan werde der Höhepunkt der Erdölproduktion für 2009/2010 erwartet. Zwar habe das Wirtschaftswachstum ohne Energiesektor 4 Prozent (2006) und bereits 11 Prozent (2007) betragen, dennoch sei die wirtschaftliche Diversifizierung dringend. Der stehe der bislang gering entwickelte Finanzsektor, schwierige wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen und die Korruption entgegen.

Zwei Drittel der ausländischen Investitionen in Höhe von jährlich etwa 5 Milliarden US-Dollar (Seit 2004) gehen in den Ölsektor. Insgesamt befinde sich die aserbaidschanische Volkswirtschaft auf relativ niedrigem Entwicklungsniveau, die Wirtschaftskraft sei vergleichbar mit Lettland oder Kenia. Das Pro-Kopf-Einkommen betrug 2007 circa 3400 US-Dollar, etwa die Hälfte des russischen. Rund ein Drittel der Bevölkerung arbeitet in der Landwirtschaft, die 2007 jedoch nur 6 Prozent zum BIP beisteuerte.

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