2
Jan
2007

Weißrussland vs. Gazprom

Same procedure like every year – beinahe zumindest. Letztes Jahr Streit zwischen der Ukraine und Russland bzw. Gazprom um die Energiepreise, dieses Jahr hat Weißrussland die Ukraine abgelöst. Am 2. Januar kann die FR beruhigt vermelden, dass die beiden Kontrahenten sich – Achtung, hochdramatisch – zwei Minuten vor Mitternacht am 31. Dezember geeinigt hätten. Weißrussland zahlt künftig statt gut 46 USD für 1000 Kubikmeter Erdgas 100 USD, der fünf Jahre laufende Vertrag sieht vor, bis 2011 das Preisniveau an den Westen anzugleichen. Dort bekommt Gazprom im Schnitt 250 USD je 1000 Kubikmeter. Zwar muss der Konzern auch um 100 Prozent erhöhte Durchleitungsgebühren für die Nutzung der Gaspipeline in Weißrussland zahlen, die allerdings zum Teil in eigene Tasche. Denn wie ebenfalls von Russprom gefordert, verkauft Weißrussland die Hälfte seiner nationalen Gasgesellschaft Beltrans an Gazprom. Kaufpreis: 2,4 Mio. USD.

Im Hintergrund auf den Wirtschaftsseiten erläutert FR-Autor Florian Hassel allerdings den Unterschied zwischen Ukraine und Weißrussland. Im ersten Fall habe sich Gazprom vertragswidrig verhalten, nun aber Weißrussland. Das habe sich nämlich schon 2002 verpflichtet, die Hälfte von Beltrans zu verkaufen und dies seither hinausgezögert. Zudem sei die Kontrolle Gazproms über Transitpipelines und Vertrieebsgesellschaften Teil seiner Strategie, die Kontrolle über Erdgas und Erdöl von der Förderung bis zum Endverbraucher zu behalten. Bereits am 20.Dezember hatte die FR gemeldet, dass Gazprom bei der Neuverhandlung seiner Lieferverträge mit der französischen GdF durchgesetzt hatte, ab Oktober 2007 auch Privatkunden beliefern zu dürfen. Ob diese Strategie auch aus Verbrauchersicht begrüßenswert ist und unter welchen Umständen das 2002er-Agreement zustande kam, schreibt Hassel nicht, aber anyway. Weißrussland scheint mir nicht unterstützenswerter als Gazprom, oder anders gesagt: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.

Ganz nebenbei erfahre ich: Russland subventioniert Weißrussland mit mehreren Mrd. USD im Jahr, bis zu zehn Prozent der Wirtschaftsleistung, so Hassel. Alleine 3 Mrd. USD davon waren bislang verbilligte Gaslieferungen. Aber offensichtlich ist das Wohlwollen Weißrusslands im Kurs stark gesunken.

Ergänzung 9. Januar
Den Streit nutzen natürlich viele Seiten, um ihre Position in der Energiepolitik zu promoten. Unter anderem der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Michael Müller. In einer PM vom 9. Januar schreibt er u.a.:

Die Unterbrechung der Pipeline ist ein erneutes Warnsignal für die Verwundbarkeit der modernen Industrie. Nahezu jedes Land ist von Energie- und Rohstoffimporten abhängig, bei Energie gilt dies für unser Land zu mehr als 70 Prozent. Dies gilt darüber hinaus für eine Vielzahl von Stoffen wie etwa Zinn, Platin oder Titan, die wichtige Grundlagen für Produkte der Hochtechnologie sind. Und deshalb sind wir hochgradig verwundbar. Angesichts der Knappheiten und Preissprünge werden Ressourcenkriege zur größten Gefahr des 21. Jahrhunderts. Die Entwicklung der Golfstaaten zeigt, dass diese Gefahr ernst zu nehmen ist. „Wenn es einen dritten Weltkrieg gibt, dann wird er um Energie und Rohstoffe gehen“, so der frühere US-Verteidigungs- und Energieminister James Schlesinger. Der Ausweg liegt in einer Doppelstrategie: Zum einen muss unser Land massiv seine Anstrengungen beim Einsparen, bei der Effizienzsteigerung, bei der Kreislaufwirtschaft und bei Erneuerbaren Energien und nachwachsende Rohstoffe verstärken. Das zahlt sich aus. Denn hier liegen die Märkte der Zukunft. Das häufige Argument, wir brauchen in diesen Sektoren noch Zeit, ist falsch. Im Gegenteil: Wir haben schon viel zu viel Zeit verloren. Deshalb muss der Druck für den Umbau erhöht werden. Zum anderen müssen die Anstrengungen für eine „Energie und Rohstoff-KSZE“ verstärkt werden. Wir brauchen entsprechende Allianzen, die von wechselseitiger Unterstützung und Kooperation ausgehen. Russland kann Rohstoffsicherheit garantieren, die EU kann moderne Effizienztechnologien anbieten.

Gaspreise zum Jahresbeginn zwölf Prozent über Vorjahr

In der FR heute eine DPA-Meldung zu den aktuellen Gaspreisen gefunden. Die liegen nach Einschätzung des Hamburger Energie-Informationsdienstes EID zum Jahresbeginn ungefähr zwölf Prozent höher als vor einem Jahr. Der EID stützt sich auf die regelmäßige Beobachtung und Auswertung der Preise von 16 Gasversorgungsunternehmen. Danach hätten sich die Netto-Gaspreise im Durchschnitt um zehn Prozent erhöht; dazu komme die höhere Mehrwertsteuer, schreibt der EID.

Zitat: "Die Nettokosten - also noch vor der Berechnung der Mehrwertsteuer - zwischen dem günstigsten und dem teuersten Anbieter unterscheiden sich bei einem mittleren Einfamilienhaus um rund 200 Euro pro Jahr. Die 16 vom EID befragten Unternehmen geben dabei nur einen Ausschnitt aus dem Gesamtmarkt wieder; insgesamt arbeiten mehrere hundert Gasversorger in Deutschland.

Die Preispolitik der Unternehmen ist noch uneinheitlich. Seit August sinken die Ölpreise, was sich mit einer Verzögerung von sechs Monaten auch bei den Gaspreisen bemerkbar machen sollte. Die Rekordpreise beim Öl wurden jedoch im dritten Quartal erreicht, das noch in die aktuellen Preisberechnungen der Gasversorger einfließt.

[...]

Wegen der eingetretenen Entspannung am Ölmarkt ist im nächsten Jahr mit eher rückläufigen Gaspreisen zu rechnen." Zitatende

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