10
Apr
2007

Gas-Kartell?

Laut FR von heute diskutierten Vertreter von 14 Gas exportierenden Ländern bei einem Treffen in Katar über eine intensivere Kooperation bis hin zur Gründung eines Kartells nach Vorbild der OPEC. Vereinbart wurde eine Expertenkommission, die Möglichkeiten für eine Stärkung der Stellung der Förderländer finden soll. Russland als Anführer der Gruppe und Iran hatten im Vorfeld erklärt, man wolle kein Kartell. Der Energieminister von Algerien sprach hingegen klar von einer Gas-OPEC als Ziel.

Die FR berichtete heute am 15. November 2006 über einen Artikel der Financial Times. Das britische Blatt schreibt ohne Quellenangaben über einen Bericht von Wirtschaftsberatern für die Nato-Botschafter, in dem die Berater vor einem Gaskartell a la OPEC warnen, dass Russland zusammen mit Algerien, Libyen, Katar und einigen zentralasiatischen Ländern bilden bilden könne. Der russische Regierungssprecher Peskow dementierte, die "Verfasser dieser Studie verstehen einfach unsere Idee von Energiesicherheit nicht".

Bereits Anfang März hat Analyst Josef Auer von DB-Research eine 16-seitige Analyse der EU-Energiepolitik veröffentlicht. Hier ein Abschnitt, der sich mit der Gas-OPEC beschäftigt. Das PDF (318 KB) in voller Länge hier.

Gas-OPEC unterminiert Nabucco und EU-Strategie
Anfang Februar 2007 wurde bekannt, dass Gespräche zwischen Russland, Iran und anderen Gas exportierenden Ländern mit dem Ziel einer stärkeren Kooperation im Gassektor stattgefunden haben. Von russischer Seite verlautete zwar, die engere Kooperation ziele nicht auf eine Kartellbildung nach dem Muster der OPEC ab. Gleichwohl wurde der Vorschlag einer Gas-OPEC von iranischer Seite unterbreitet – und der russische Präsident Putin bewertete den iranischen Vorschlag als eine "interessante Idee".

Die Bildung einer Gas-OPEC hätte weitreichende Konsequenzen für die EU – insbesondere für Länder mit hohem Gasimportanteil. Da Erdgas merklich höhere Ansprüche an den Transport stellt als Erdöl oder Kohle, liegt es in besonderem Interesse der EU und der einzelnen Länder, schon jetzt eine Strategie zur Minderung der Importabhängigkeit bzw. von Ausfallrisiken zu entwickeln und durchzusetzen.

Die EU befürwortet einerseits die Nutzung unterschiedlichster Energieträger, andererseits eine stärkere räumliche Diversifikation durch die Einbindung weiterer (auch weit entfernter) Gaslieferländer. Hoffnungsträger zur Erhöhung der Versorgungssicherheit sind der Auf- und Ausbau einer leistungsfähigen LNG-Infrastruktur sowie neue große Pipeline-Projekte. Die EU will mit ihrer Strategie der "Transeuropäischen Netze für Energie" (TEN-E) einerseits eine größere Unabhängigkeit von traditionellen Transitländern für russisches Gas (wie die Ukraine und Weißrussland) erreichen; dazu soll die Ostsee-Pipeline (Nord Stream) beitragen. Andererseits wird auf eine stärkere Diversifizierung jenseits russischer Gasquellen gesetzt.

Die "Nabucco"-Pipeline verkörpert das Streben der EU nach einer grundsätzlich größeren Unabhängigkeit von Russland. Das Projekt "Nabucco" gilt als eines der wichtigsten Energieprojekte Europas zur Steigerung der Versorgungssicherheit mit Erdgas. Die 3.300 km lange Pipeline soll künftig den Transport von Erdgas aus dem kaspischen Raum über die Türkei, Bulgarien, Rumänien und Ungarn bis nach Österreich ermöglichen – und damit die Abhängigkeit von russischem Erdgas und den traditionellen Transitländern mindern. Da die Leitung in Österreich endet, wird das Land zur wichtigen "Drehscheibe" im europäischen Netz. Die Kapazität der 1,42 m dicken Leitung soll etwa 30 Mrd. m3 p.a. erreichen. Der Bau der Pipeline, der bis 2020 etwa USD 45 Mrd. kosten wird, könnte nächstes Jahr beginnen. Erste Lieferungen – zunächst wohl aus Aserbaidschan – wären ab 2011 möglich.

Brisant in Bezug auf eine mögliche Gas-OPEC ist dabei die Tatsache, dass die Pipeline nicht zuletzt auf die reichlichen Vorkommen im Iran, einem der wichtigsten Gasreserveländer, abzielt. Schlössen also der Iran und Russland eine Gas-Allianz, könnte von einer größeren Gasversorgungssicherheit durch das Projekt nicht die Rede sein. Überdies besteht die Gefahr, dass auch potenzielle LNG-Lieferländer wie Katar, Algerien oder Indonesien, die derzeit noch reserviert reagieren, perspektivisch Interesse an einem Gas-Kartell entfalten. Damit stünde aber auch der Erfolg einer Alternativstrategie zur Anzapfung von Quellen weit entfernter Lieferländer mittels LNG-Verschiffung in Frage.

Allerdings darf nicht übersehen werden, dass auch das Gasgeschäft kein Nullsummenspiel ist. Die Vorstellung, eine Gas-OPEC könne die europäischen Gasimporteure nach Belieben "erpressen", ist wirklichkeitsfremd. Tatsächlich besteht eine wechselseitige Abhängigkeit. Bei dauerhaften Verstößen gegen die Spielregeln dürfte es nur Verlierer geben. Das Beispiel der OPEC zeigt, dass das Ausspielen ihrer Marktmacht regelmäßig durch ökonomische Anpassungsmechanismen (wie Energiesparen, Diversifikation und Entwicklung von Alternativen bis zum Kernenergieausbau) verhindert wurde. Kooperation, Informationsaustausch und die Pflege einer Energiepartnerschaft sind wohl die besseren Alternativen für die EU.

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